Am 5. April 1998 nahmen über 30 Wanderfreunde der Ortsgruppe Wettersbach an einer Rundfahrt und Wanderung zu archäologischen Zielen in Durlach, in der Karlsruher Nordweststadt, in Weingarten und auf dem Michaelsberg in Untergrombach unter fachkundiger Führung unserer Wanderfreundin cand. phil. Barbara Klein, M.A. teil.
Sie hat uns den folgenden Bericht über diese interessanten Ziele zusammengestellt, den wir hier allen, die nicht dabei waren, weitergeben möchten:
"Jeder kennt archäologische Fundstätten in Italien, Griechenland, Ägypten mit prächtigen Schätzen, Monumenten und Überlieferungen, Daß es gar keiner allzuweiten Entfernung bedarf, um auf interessanten archäologischen Spuren zu wandeln, wissen nur wenige, Und unsre heimischen Funde können sich teilweise durchaus auf internationaler Ebene messen.
Schon Jahrtausende bevor Karl-Wilhelm von Baden den Hardtwald 1715 zu seinem neuen Domizil auserkor, wußten die Menschen der Vor-- und Frühzeit die Karlsruher Ebene und das anschließende Pfinztal als Lebensort zu schätzen."
Aus diesem Grund unternahm die Ortsgruppe Grünwettersbach am Sonntag, 05. April, eine Rundfahrt und Wanderung im Karlsruher Raum, um sich ein Bild von den frühen Siedlern dieser Gegend zu machen. Wanderführerin war die Vor- und Frühgeschichtlerin und Wanderfreundin cand. phil. Barbara Klein M.A.
Auf dem sonntäglichen Exkursionsprogramm standen Fundstätten aus jeder der drei großen Geschichtsepochen: Steinzeit (500 000 bis ca. 2 000 v. Chr.), Bronzezeit (2 000 bis 800 v. Chr.) und Eisenzeit (800 v. Chr. bis heute).
2. Ziel: Der „Schlittenhügel" war eine vorgeschichtliche Grabanlage
Beim Bau der Siemenssiedlung in der NW-Stadt wurden 1959 eine Gruppe von 7 bronzezeitlichen Grabhügeln entdeckt. Lediglich 2 der Hügel konnten vom Landesdenkmalamt untersucht werden, der Rest wurde unbeobachtet zerstört. Einer der Hügel ist heute noch im rekonstruierten Zustand auf dem Gelände der Dürkheimer Straße zu besichtigen.
Dieser Hügel nun war das zweite Anlaufziel der Wandergruppe. Für den nichteingeweihten Besucher präsentiert sich dieses Relikt aus der Urzeit, eingerahmt von Häuserzeilen, Gärten und Kinderspielplatz, jedoch mehr als „Schlittenhügel" wie ein Wanderfreund treffend bemerkte, denn als archäologisches Denkmal.
Die Gräber enthielten Brandbestattungen, d.h. die Toten wurden zusammen mit ihrem Schmuck und persönlichen Habe auf einem Scheiterhaufen verbrannt und ihre Asche in einer tiefen Grube mit einem Durchmesser von ungefähr 1 m beigesetzt. Darüber schüttete man in Gemeinschaftsarbeit Erde und Steinmaterial bis ein weithin sichtbarer Hügel entstand (Durchmesser hier ca. 20 m). Aus diesem Grund nennt man auch den betroffenen Abschnitt der Bronzezeit "Hügelgräberbronzezeit" (1500 bis 1200 v. Chr.). In den Gräbern der Nordweststadt fand man Tontöpfe, eine bronzene Gewandnadel sowie verzierte Arm- und Beinringe, ebenfalls aus Bronze.
Archäologie vor der eigenen Haustür
1. Ziel: Die römische Villa rustica in Durlach
Der erste Weg führte die geschichtsinteressierten Wanderer zu den Überresten eines römischen Gutshofes in Durlach.
Durlach liegt an der alten Römerstraße von Basel nach Mainz. So ist es gar nicht verwunderlich, wenn hier und da Spuren aus römischer Zeit zu Tage treten. Schon 1899 fand man am Pfinzufer einen römischen Grabstein, der die Ruhestätte des Veteranen Flavius Sterius auswies. Dennoch war die Überraschung groß, als man am gegenüberliegenden Ufer der Pfinz 1990 beim Bau der neuen Gewerbeschule auf die Reste von antikem Mauerwerk stieß. Obwohl die Bagger schon einen wesentlichen Teil des Gebäudes zerstört hatten, ließen sich aus den Resten doch klar die Formen eines römischen Gutshofes, einer Porticus-Villa mit Eckrisaliten, erkennen (breite säulenbestückte Eingangsfront im mediterranen Stil, die von zwei Eckwohntürmen gegrenzt wird). Das Hofareal war ummauert, die dazugehörigen Bauten wie Wirtschaftsgebäude, Stallungen oder Badegebäude konnten aufgrund der Baustellensituation leider nicht mehr lokalisiert werden. Die um 120 n. Chr. entstandene Villa erlebte mehrere Bauphasen, bis sie wahrscheinlich im Zuge der Germaneneinfälle 260 n. Chr. verlassen wurde.
Unter dem westlichen Wohnturm liegt ein Kellerraum, der besondere Beachtung verdient . Er ist ca. 25 m² groß und hat halbrunde Wandnischen. Die darüber bogenförmig eingemauerten Tuffsteine zeigten beim Freilegen durch die Archäologen noch Reste von roter, gelber und grüner Bemalung. Solche Mühe mit dem Ausschmücken gab man sich hier in der römischen Provinz im allgemeinen nur bei Räumen, in denen religiöse Handlung durchgeführt wurden.
Das ansonsten dürftige Fundmaterial der Villa stammt meistens aus der im Keller angetroffenen Schuttschicht. Es besteht hauptsächlich aus
- Keramik, darunter auch römisches Tafelgeschirr aus der Terra-Sigillata-Töpferei bei Rheinzabern
- Haushaltsgegenstände, wie ein bronzener Tülleneinsatz zum Weinabseihen
- Schmuck (Glasperlen und bronzene Gewandspange mit Emaileinlage, sog. Scheibenfibel)
- Teile eines landwirtschaftlichen Gerätes, einer Karsthacke, wie sie zum Zerkleinern von Erdschollen verwendet wurde.
Vielleicht handelt es sich bei der römischen Villa wirklich um den Altersruhesitz des auf dem gegenüberliegen Pfinzufer bestatteten Sterius Flavius.
Villa rustica Ostrisalit
3. Ziel: Grabhügelgruppe zwischen Pferdekoppeln in Weingarten, Dörnigweg
Von der Stadt Karlsruhe aus führte die Exkursion die interessierten Wanderfreundinnen und
-freunde nun ins nahe Umland. In Weingarten, Dörnigweg, gab es zwischen bewirtschafteten Feldern, Pferdekoppeln und einem kleinen Waldgebiet „naturbelassene" Grabhügel aus der Bronzezeit zu entdecken, deren Anblick im krassem Gegensatz zu dem deutlich sichtbaren Grabhügel in der Nordwest-Stadt stand.
Zitat aus "Faustkeil, Urne, Schwert, Archäologie in der Region Karlsruhe", Hrsg. Rolf-Heiner Behrends. Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung. Badenia Verlag 1996, S. 83:
"Die Anlage von weithin sichtbaren Hügelgräbern begünstigt in zweierlei Hinsicht eine spätere Zerstörung der Gräber. Zum einen wurden die Hügel in den nachfolgenden Zeitperioden häufig weiter für Bestattungen genutzt und dadurch die früheren Gräber in Mitleidenschaft gezogen, zum anderen waren sie schon früh das Ziel von "Ausgrabungen", die häufig weit eher einer "Schatzgräberei" als einer wissenschaftlichen Untersuchung glichen. So wurden auch die bereits Anfang dieses Jahrhunderts untersuchten Gräber von Weingarten, Landkreis Karlsruhe, schon durch eisenzeitliche Nachbestattungen gestört...
Eine weitere, nicht zu unterschätzende Gefährdung der noch erhaltenen Hügelgräber geht von der modernen Landwirtschaft aus. Die im Ackerbereich gelegenen Hügel werden durch die ständige Überpflügung immer weiter zerstört, fast immer gehen damit wertvolle Informationen verloren. Deutlich wird dies, wenn man die noch sichtbaren Höhen der im Feld und im Wald gelegenen Hügel von Weingarten miteinander vergleicht. Während die im Wald befindlichen Gräber noch Höhen bis zu einem Meter aufweisen, sind die von der Überpflügung betroffenen Hügel bestenfalls noch als schwache Bodenwelle erkennbar."
Genau diese Erfahrung machten die Wanderfreunde: Im Bereich der heutigen Felder und Koppeln waren die Grabhügel nur noch ganz schwach zu sehen, im Bereich des Waldes, wenige Meter daneben, konnte mach sich die ursprüngliche Größe und Form der Gräber anhand der hohen Aufschüttungen noch gut vorstellen.
Von dem ehemals über 100 Gräber umfassenden bronzezeitlichen Hügelgräberfeld sind heute noch 61 Hügel erhalten, die besonders gut im Winter durch Luftbildaufnahmen zu erkennen sind. Im Gegensatz zur Nordweststadt wurden hier die Toten nicht verbrannt, sondern als Körperbestattung in die Grabgrube gelegt, bevor ebenfalls ein großer Erd-/Steinhügel mit einem Durchmesser von 10 - 32 m darüber aufgeschüttet wurde. Die Beigaben bestehen ebenfalls aus Tongefäßen, Gewandnadeln, Arm- und Beinschmuck. Daneben fanden sich in den Hügeln einige sog. Nachbestattungen aus der späten Bronzezeit und frühen Eisenzeit.
Die Funde aller Hügelgräber können in der Vor- und Frühgeschichtlichen Abteilung des Karlsruher Schloßmuseums besichtigt werden.
4. Ziel: Heidnische Spuren auf dem Michaelsberg bei Untergrombach
Als letzter Punkt der Rundreise stand die „Besteigung" des Michaelsberges bei Untergrombach auf dem Programm.
Der Michaelsberg ist in der archäologischen Welt über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. Er ist nämlich namensgebend für eine jungsteinzeitliche Kultur, deren Spuren hier zum ersten Mal beobachtet und dokumentiert werden konnten - die "Michelsberger Kultur".
Der Michaelsberg bildet nach Norden und Westen hin eine steil abfallende Kuppe, während er im Süden und Osten mehr oder weniger sanft abfällt und in die danebenliegenden Hügelketten übergeht. Wenn man nun den Zugang zur Bergkuppe im Süden und Osten mit einer Holzpalisade und einem davor liegenden Wall-Graben-System versperrt, dann hat man mit relativ wenig Aufwand eine befestigte Höhensiedlung, die in unruhigen Zeiten vor den Angriffen der Feinde schützt. Und genau dies geschah um ca. 3500 v. Chr. auf dem Michaelsberg.
Die ersten systematischen archäologischen Ausgrabungen des Erdwerkes erfolgen 1888/89 durch K. Schuhmacher und 1899 durch den Kalsruher Ingenieur A. Bonnet. 1949 - 1962 folgen weitere Untersuchungen durch A. Dauber und W. Bauer.
Der bei den Ausgrabungen entdeckte Graben erstreckt sich über eine Länge von 720 m. Die Wände waren steil und endeten in einer 2,5 - 3,5 m breiten Sohle. Die erhaltene Tiefe schwankt je nach Erosionsgrad zwischen 0,9 und 2,7 m. Hinter dem Graben ist stellenweise auch ein Gräbchen nachweisbar, das die Standspur des Palisadenzaunes wiedergibt. Gesichert sind zwei Tore von ca. 4 m Breite, die beide in der Nähe der heutigen asphaltierten Zugangswege liegen. Als Reste der Siedlungstätigkeit zeigen sich Gruben von runder oder ovaler Form von meist nur ungefähr 1 m Durchmesser und bis 1,3 m Tiefe. In ihnen fanden sich Teile von Tongefäßen und Tierknochen. Auffallend ist der Mangel an Steinwerkzeugen. Die Pfostenlöcher von Hütten oder Häusern konnten aufgrund der starken Erosion nicht mehr rekonstruiert werden. Auch Gräber fanden sich keine, statt dessen einzelne Skeletteile in den Gruben. Ein Phänomen, das noch genauerer Untersuchung und Interpretation bedarf.
Der Michaelsberg ist übrigens nicht der einzige Berg in der Umgebung, der eine derartige Erdbefestigung besitzt. Ähnliche Höhenanlagen befinden sich in Bruchsal-Aue, Bruchsal-Scheelkopf, Bruchsal-Heidelsheim und Bretten-Bauerbach.
Heutzutage ist am Boden mit bloßem Auge von der Michelsberger Kultur nichts mehr zu erkennen. Hier ist die Phantasie und Vorstellungskraft des Wanderers gefordert. Lediglich von der Luft aus sind die Verläufe der Gräben und Wälle noch zu verfolgen Wer sich dennoch eine handfeste Vorstellung von den Überresten unserer Vorfahren auf dem Michaelsberg machen möchte, sollte es nicht versäumen, die rekonstruierten Gefäße im Foyer der Michaelsklause zu besichtigen.
"Trotz des großen zeitlichen Zwischenraumes wird bei Errichtung der Michaelskapelle vermutlich noch eine ferne Erinnerung an die heidnische Vergangenheit des Berges vorhanden gewesen sein." Zitat aus: Karlsruhe und der Oberrheingraben zwischen Baden-Baden und Philippsburg. Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland 16. Stuttgart: Konrad Theiss Verlag 1988, S. 144.